Jürgen Heiter

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Archiv – Texte zum Werk und zu einzelnen Filmenxxx[zurück]


11 Filmtexte zur Werkschau Jürgen Heiter Kino 813, Köln, 2002






20.9.2002, 20h:

TAG UND NACHT

BRD 1986; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Klaus P. Weber; Musik: Arto Lindsay; mit: Ralf Küpper, Jakob Risch, Britta Nickel, Hans-Heinz Schwarz, Thino Grünwald, Giumaa Abukhdeer, Marcel Heiter, Walther König; 16mm (Beta-SP-Transfer), 43min.

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ENDE DER ABREISE

BRD 1986; Produktion: Telefilm Saar / Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Klaus P. Weber; Musik: Ludwig van Beethoven; mit: Ralf Küpper, Hans-Heinz Schwarz, Aziz El-Malki, Neela Whang, Andrea Paszti, Albrecht Winterberg; 16mm (Beta-SP-Transfer), 44min.

Kölner Trilogie Teil Eins & Zwei. TAG UND NACHT zeigt Augenblicke aus zwei Tagen und Nächten im Leben zweier Träumer, Tagediebe, im Winter, während des Karnevals. Der eine will Kunst schaffen, und muß deshalb auf eine wichtig-wichtig Party - so läuft das -, schafft's nicht dahin, und träumt trotzdem ungestüm vom ersten eigenen Katalog; der andere hat einen kaputten Finger und sonst nix; ein dritter hat dafür viele gute Ratschläge, die er mit den ideologisch richtigen Namen zu grundieren weiß. Die Nächte sind gnadenlos kalt, der Karneval ist gnadenlos lustig, die Tage sind gnadenlos kurz: so daß das Leben schnell gehen muß, so daß der Augenblick zählt. Wichtig sind die Frauen, das Tratschen, das Umherstreifen, das Träumen: Das sorgt für den Zug des Films, den die schöne Hast des nahenden Frühlings prägt. ENDE DER ABREISE ist dagegen ein Hochsommerfilm: Langsam nur verstreicht das Licht, und mit ihm die Hitze, die einen einfach nur dasitzen läßt -- aller Zug ist in den Köpfen, selten rast er raus. Man sitzt, man redet, man wartet -- und am Ende ist es sogar zu heiß, um sein Leben zu ändern, so bleibt man, ist ja eh auch schön hier. Auf-den-Weg-machen will sich der Künstler-als-junger-Hund von vor einem halben Jahr, was ihn hält, sind der Mann mit den guten Ratschlägen und eine schöne Frau, mit der's dann aber auch nichts wird.

 

21.9.2002, 20h:

DER KLEINE BRUDER

BRD 1988; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Klaus P. Weber; Musik: Wim Maartens; mit: Ralf Küpper, Hans-Heinz Schwarz, Nicole Adrian, Thomas Hornemann, Nino Malfatti, Andrea Paszti, Marcel Heiter, Giumaa Abukhdeer; 16mm (Beta-SP-Transfer), 42min.

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MAN SIEHT SICH

BRD 1989; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Klaus P. Weber; Musik: Sven-Ake Johansson / Rüdiger Carl; mit: Ralf Küpper, Gerhard Woschitz, Helmut Häcker, Salie Tehkem, Ute Haecker; 16mm (Beta-SP-Transfer), 42min.

Kölner Trilogie Teil Drei plus Epilog. Gehören TAG UND NACHT & ENDE DER ABREISE ganz eng zusammen - realisiert in einem konzeptionellen Zug -, so ist ihre Verbindung, zumindest inhaltlich, mit DER KLEINE BRUDER eher vage: Dieselben Hauptdarsteller, andere Charaktere -- zumindest im narrativen Sinne: Jürgen Heiter filmt immer seine Darsteller, nur nebenher die Charaktere, die sie spielen, die sowieso immer sie selbst sind, während sie etwas zum ersten Mal tun. So stehen also auch hier, in diesem merkwürdig verschrobenen polar, wieder die beiden Tagediebe Ralf und Schwarz im Zentrum des Geschehens. Diesmal sind sie Brüder, der eine muß dem anderen helfen, es geht um viel Geld, und finstere Burschen sind übel dick mit im Spiel. Ein Aufenthalt in der Schweiz tut Not, ein Blick auf die Welt herab von einem Berg bringt neue Perspektiven -- die Gangster sind alldieweil aber auch nicht untätig... In MAN SIEHT SICH ist nur noch Ralf Küpper als Argloser im Ausland (Franken-Hohenlohe) übrig. Eine klassische Krimi-, oder Western-, oder Horrorfilm-Ausgangssituation: Wagenpanne in einer fremden Stadt, hinter deren Geheimnisse man steigt. Gedreht wurde der - ungewöhnlich kantige - Film für einen Reportage-Sendeplatz als eine Art modernistisches Experiment (so hatte man das zumindest dem Platzwart weisgemacht): Da die Leute vor der Kamera sowieso sich selbst spielen (man beachte die Hintersinnigkeit des Titels), da also die Kamera eh alles verändert, kann man auch direkt die Situationen spielen, und damit zur eigentlichen Wahrheit des Ortes finden -- was ja perfekt zu einer Reportage über eine deutsche Kleinstadt paßt... Und was natürlich nichts anderes ist als das, was Jürgen Heiter immer macht: Räume filmen, die durch die Anwesenheit von Menschen sichtbar gemacht, skizziert werden, und so zu einer Geschichte finden -- Interessierte Räume heißt seine zweite große Trilogie. The Picture Tells You.

 

22.9.2002, 20h:

SCHÖNHEITSKÖNIGINNEN

BRD 1984; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Bert Stoewesand; Musik: Wim Maartens; 16mm (Beta-SP-Transfer), 42min.

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TAUSEND SIEGE

BRD 1985; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Bert Stoewesand; Musik: Wim Maartens; mit: Hein Bollow, Karl Sperling, Hans-Heinz Schwarz, Gerhard Naschberger, Aziz El-Malki; 16mm (Beta-SP-Transfer), 43min.

Ansichten zum Dokumentarfilm: War MAN SIEHT SICH noch ein Mockumentary über die Form an sich, so sind SCHÖNHEITSKÖNIGINNEN und TAUSEND SIEGE "wirkliche" Dokumentarfilme -- was aber nicht heißt, daß ihr Blick anders wäre als der der anderen Filme von Jürgen Heiter: Sein Blick bleibt immer gleich, weil er immer Filme macht. Wobei er mit SCHÖNHEITSKÖNIGINNEN der Idee wie den Idealen des direct cinema ziemlich nahekommt: Verfolgt wird die Wahl zur Miss Germany 1984 (zufälligerweise das erste große TV-Ereignis, daß die Privaten den Öffentlich-Rechtlichen weggezockt hatten), von einer Vorausscheidung in einer zünftigen Dorfdisco, mit Honoratioren als Schiedsrichtern (denen der Chef des Ladens vorher schon klar gemacht hatte, daß sie seine Gespielin wählen sollten), über eine Landesausscheidung, die in etwas noblerem Ambiente abgehalten wird, und mit Hans-Jürgen Bäumler sogar einen Prominenten aufzuweisen hat (und etwas diskreter abgekartet kommt), bis hin zur Endausscheidung, mit einem ziemlich koksig brabbelnden Gunther Sachs als Juror, und einem harten Österreicher, der einen ganzen Stall voller Missen laufen hat (und wo man nicht so genau weiß, wie weit sein Einfluß reicht).

Man muß sich an internationalen Standards orientieren, sagt der deutsche Miss-Wahlen-Veranstalter -- zu sehen ist dabei das nackte deutsche Mit-80er-Elend, in diesem nahen Verwandten von MODELLS (Ulrich Seidels wie Frederick Wisemans).

Danach ist TAUSEND SIEGE wie ein Balsam für die Seele: Hein Bollow und sein Gestüth, die Rennbahn in Köln-Niehl, und Menschen, die sagen können, daß sie tausend Siege und mehr eingefahren haben -- in einem Film, in dem man die Freude seines Regisseurs am Sport spürt. Ein kleines, unbedingt zu entdeckendes Meisterwerk!

 

27.9.2002, 20h:

NAME GLEICH ADRESSE

BRD 1995; Produktion: Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Bert Stoewesand; mit: Walther König, Jutta Linthe, Kasper König, Reiner Speck, Olaf Möller, Benjamin Katz, Helmut W. Banz, Antonio Quarta, sowie Mitarbeitern der Buchhandlung König in Köln; 16mm (Beta-Sp-Transfer), 44min.

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DIE PRINZESSIN DER BAHNHOF

BRD 1997; Produktion: WDR / Saarländischer Rundfunk; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Kamera: Michael Giefer; Musik: Johannes Brahms, interpretiert von Friedrich Höricke; mit Rosalka Rother, Helmut W. Banz, Benjamin Katz, Friedrich Höricke, Olaf Möller, Cony Theis, Petra Straß, Aziz El-Malki, und der Stimme von Johannes Wasmuth; 16mm, 43min.

Trilogie Interessierte Räume, Teil Eins und Teil Zwei. Anders als bei den ersten beiden Filmen der Kölner Trilogie kann man hier sagen: Zwei Filme, ein Zugriff. Gedreht wurde über mehrere Wochen strikt an jeweils einem Ort: für NAME GLEICH ADRESSE in der Buchhandlung König, für DIE PRINZESSIN DER BAHNHOF im Bahnhof Rolandseck (und nächste Umgebung), wo das Arp-Museum untergebracht ist. Ein Drehbuch gab's nicht - gibt's eh so gut wie nie bei Jürgen Heiter -, dafür aber eine Sammlung von Texten sowie einige Ideen für Situationen. Auf einer Ebene, im Hintergrund (der Pflichterfüllung), erfährt man jeweils die Geschichte des Ortes, auf einer viel wesentlicheren Ebene aber erfinden dramatis personae dieser Orte deren Geschichten neu -- und finden so zu ihrer Wahrheit, der eigenen wie der des Ortes, was eins wird. Die Werke der Trilogie Interessierte Räume sind die formal sicherlich komplexesten, wagemutigsten, tolldreistesten Arbeiten bislang im Schaffen von Jürgen Heiter: Es sind feinsinnige Essays über Zeit und Werden, ganz elegant und diskret.

 

28.9.2002, 20h:

PAARE UND STEINE (RACCOLTA DI PEZZI FACILI)

BRD 2000; Produktion: Heiter Filmproduktion, mit ZKM Karlsruhe; Regie, Buch: Jürgen Heiter; Dramaturgie: Olaf Möller; Kamera: Ulrike Pfeiffer; Erzählstimme: Sven-Ake Johansson; mit: Maurizio Gabilli, Heike Kern, Olaf Möller, Antonio Quarta, Anita Post, Cony Theis, Benjamin Katz, Domenico Riccardi, Jürgen Heiter, Giorgio Mattei, Michael McKeever; DV/DigiBeta, 126min, OmdU

Interessierte Räume, Teil Drei. PAARE UND STEINE (RACCOLTA DI PEZZI FACILI) ist bislang das magnum opus des Heiter'schen Oeuvre: Ein Epos über deutsche Italiensehnsucht, verankert in der Villa Serpentara in Olevano, einem Weiler in den Hügeln des Latium. Der interessierte Raum ist hier der Ort Olevano, der für eine ganze (sekundär relevante) Schule der deutschen romantischen Malerei steht. Wie in den ersten beiden Teilen gibt es auch hier einen roten Faden, eine Erzählung (ein Drehbuch, aus dem Fragmente vorgelesen werden) – allerdings nicht die, die man erwarten sollte: Nicht die der deutschen romantischen Maler - ideel auf Goethes Spuren -, sondern die dreier Deutscher Dezennien später, für die die Italiensehnsucht längst ein - verrotteter - Topos geworden ist, und die sich deshalb auf das Wesentliche konzentrieren können, nämlich wer mit wem. Ihr vakantes Treiben macht die Wahrheit um sie herum, eine Realität Italiens sichtbar: Die Landschaften, und die Menschen, die sich in ihnen frei bewegen, weil es ihre Welt ist. Die Geschichte mit dem unflotten Dreier ist nur ein Vorwand, um über anderes zu sprechen, so wie die Bilder die Töne sichtbar machen. Oder auch: Die Geschichte [...] ist nur ein Behältnis anderer Geschichten: Eines Spiegelkabinetts der Zusammenhänge und losen Fäden.

Sven-Ake Johansson, der das Drehbuch so präzis moduliert vorträgt, daß eine Sprach-Musik durch diese Welt weht, schrieb dazu:  

"Als ein unvermutetes diffuses bildliches echo, trat das erscheinen der drei apfelsinen in dem tapetenmuster  
eines schäbigen übungszimmers der musikanten im film auf, welche vorher umständlich aber sehr liebevoll, 
im freien von zwei damen geschält worden waren: fantasievolle, oft selbst zu entdeckende, fast kryptische 
verbindungen von formen und zahlen, die diesem film von Jürgen Heiter mit einem "bestimmt" komponierten 
abstrakten handlungsvorgang den zusätzlichen charakter von etwas ungewolltem, fast magischen verleiht."

 

29.9.2002, 20h:

EIN BAUER DER PHOTOGRAPHIE (LUMIERE DU JOUR)

BRD 1982/99; Produktion: Heiter Filmproduktion; Regie: Jürgen Heiter & Hans-Heinz Schwarz; Kamera: Ulrike Pfeiffer; Ton: Petra Seeger; Musik: Sovt Verdict; mit: Raoul Coutard; 16mm-auf-Video, 33min., OmdU

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GSELLMANS AUGENFUTTER

BRD 1979; Produktion: WDR; Regie: Jürgen Heiter & Petra Seeger; mit: Franz Gsellmann; 16mm (Beta-SP-Transfer), 44min.; die Übersetzung wird live von Petra Seeger eingesprochen

Zum Abschluß zwei Portraits: Einmal von Raoul Coutard, dem Kameramann von (fast) allen entscheidenden Filmen der Nouvelle Vague, den Jürgen Heiter bei den Dreharbeiten zu dessen Malko-Kracher traf, und einmal von Franz Gsellmann, dem Erbauer der Weltmaschine. Coutard hat offensichtlich Freude daran, mit den jungen Cinephileasten zu sprechen - und Dinge zu sagen, die die deutsche Kameragilde heute zur Weißglut treibt -, während Gsellmann monumental vor sich hin monologisiert, in tiefstem steirischen Dialekt. Coutard spricht davon, daß es eigentlich nur Filme gibt, und Gsellmann davon, daß er die ganze Welt in seinem Stall hat. EIN BAUER DER PHOTOGRAPHIE (LUMIERE DU JOUR) ist die fröhliche Wissenschaft im Sauseschritt, während sich GSELLMANNS AUGENFUTTER als eine ruhige Meditation über alltägliche Wunder entpuppt.

 

Im November 2002 wird der bislang letzte Film von Jürgen Heiter, 
MES AMIS (BRD 2001), in der Kunststation Sankt Peter Köln zu sehen sein. 
Mit freundlicher Unterstützung von SR und WDR. 
Filmclub 813, Tel. 0221 – 3106-813, Fax 0221 3106-814 


www.filmclub813.de  



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