Jürgen Heiter |
Frankfurter Rundschau, 29.3.2007 Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/film/?em_cnt=1104917 Der Schattenmann Jürgen Heiters Film über den Porträtisten Benjamin Katz ist selbst ein Kunstwerk:“Der Photograph“ VON DANIEL KOTHENSCHULTE Lange bevor die Fotografie verdächtigt wurde, selber eine Kunst zu sein, fand sie ein Schlupfloch ins Museum. Immer dann, wenn sie sich dazu hergaben, Künstler zu fotografieren, durften auch Fotografen ihren Namen an Museumswänden lesen. Seit dem späten 19. Jahrhundert dokumentiert die Fotografie so eine Kunst, die abzulösen sie einmal angetreten war. Und die sie gegenwärtig wieder zu verschlingen droht. Denn die Fotokunst ist an den Kunstorten zwar allgegenwärtig. Fotografie aber, wie sie sich traditionell verstanden hat, als angewandte Kunst, als Handwerk mit der Chance, aber nicht der Verpflichtung zu musealen Resultaten, gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Katz war einmal selbst ein einflussreicher Galerist, er war einer der Entdecker von Marcel Broodthaers. Ein Kunstphilosoph ist er noch heute, doch bei seiner Arbeit ist er lautlos. Wie man es sich von seinem Kollegen Henri Cartier-Bresson erzählte, hat er die Gabe, sich vor aller Augen unsichtbar zu machen. Jürgen Heiter zeigt genau, wie das geht. Die Künstler - in einer schönen Sequenz ist es das Trio blank - sind damit beschäftigt, Kunst zu machen oder auch nur Künstler zu sein. Und Katz fummelt ebenso geschäftig an seiner Leica herum. Macht er dann ab und zu ein Foto, ist das eine so selbstverständlich wie das andere. Um diesen intuitiven Arbeitsprozess zweier Parteien dokumentieren zu können, muss auch die dritte, der Filmemacher Jürgen Heiter, damit verschmelzen. Er scheint eine noch wirksamere Tarnkappe zu besitzen. Genauso wichtig aber ist, dass er den oft magischen Augenblicken, die ihm mit Künstlern wie Georg Baselitz, Markus Lüpertz oder Rosemarie Trockel, Kuratoren wie Jan Hoet oder Kunstbetrieblern wie dem Buchhändler Walther König gelingen, ihren Wirkungsraum belässt. Er leistet es sich, den in solcher Diskretion entstandenen Bildern auch im Nachhinein nicht zu nahe zu treten. Man ist es heute gewohnt, dass sich Dokumentarfilmer selber an die Leine nehmen. Dass sie mit angeblich obligatorischen Vermittlungsformen arbeiten und am Ende mit 44, 59 oder 89 Minuten Sendezeit herauskommen. Jürgen Heiter behandelt seine Bilder wie ein Fotograf, der in der Dunkelkammer lange die richtige Ausbelichtung ausprobiert. Bevor er seinen Film in einen Schneideraum trug, hatte er bereits unzählige Rohschnitte fertig, die er mit zwei Videorekordern in langer Heimarbeit gebastelt hatte. Mit Reinhard Wulff traf er beim WDR auf einen der wenigen Redakteure, die mit solchem Ethos zu beeindrucken sind. Und die sich über die eigentlich unmögliche Sendelänge von 134 Minuten auch noch freuen können. Ohnehin ist das Kino der ideale Ort, sich auf diesen einzigartigen Film einzulassen: Ebenso sinnlich und spielerisch wie konzeptuell, vermittelt er das Thema Kunst in unerhörten Aspekten. Indem er den Künstlern und Kuratoren Gelegenheit gibt, den Porträtierten ausführlich in Worten zu porträtieren, porträtiert er natürlich auch die Künstler und Kuratoren. Johannes Blume zum Beispiel ist zufällig gerade eifersüchtig auf Christoph Schlingensief und sagt dabei etwas sehr Kluges über die Kontexte aktueller Kunst. Da komme ein Künstler eben vom Theater und bleibe auch in der Kunstausübung Regisseur. "Wir (Künstler) gehen ja nicht über andere Leichen, nur über die eigenen. Er geht über die anderen." Ein solcher Satz hat natürlich auch sehr viel über Fotografie zu sagen. Nicht nur ein Kriegsfotograf geht ständig über Leichen. Beobachtungen mit der Kamera sind immer Zumutungen, die sich nur im Einvernehmen ertragen lassen. Die großen philanthropischen Fotografen des 20. Jahrhunderts fanden Wege, ihre Subjekte nie zu Objekten degradieren. Das gilt für Katz wie es für Brassaï, Chargesheimer oder Robert Frank gegolten hat. Die einzige Gefahr besteht höchstens darin, den Kunstbetrieb auf diese Weise als liebenswürdiger erscheinen zu lassen, als er möglicherweise ist. Ethos des BewahrensTatsächlich aber ist Benjamin Katz nun einmal zufällig ein Kunstliebhaber, der die Welt, in der er sich bewegt, nie verlernt hat zu genießen. Sein Ethos ist das eines Fotografen, das seine wichtigste Aufgabe im Bewahren von Vergänglichkeit sieht. Dieses konservatorische Anliegen scheint im Gegensatz zu den Absichten moderner Innovation zu liegen - und charakterisiert doch viele der größten Künstler in der Fotografie. Auch Bernd und Hilla Becher fanden zu ihrem Stil, weil sie die Erinnerung an die Schönheit von Zechen und Wassertürmen bewahren wollten. Bei Katz geht das soweit, in der Komposition eine zu vernachlässigende Größe zu sehen. Aber natürlich ist sie in der Auswahl seiner Bilder unübersehbar. |